Vom 7. Bis 13. Oktober 1996
Antifaschistische Aktionstage in Saarlouis

Dem reaktionären Konsens in der Gesellschaft etwas entgegensetzen!


KEIN FUSSBREIT DEN FASCHISTEN!


Saarlouis - eine Hochburg saarländischer Faschisten

In der Nacht vom 18. auf den 19. September 1991 wurde Samuel Yeboah, Flüchtling aus Ghana, bei einem Brandanschlag auf ein Flüchtlingsheim in Saarlouis ermordet.
Genau ein Jahr später griffen Faschisten erneut im Raum Saarlouis drei Flüchtlingsunterkünfte an: Ein Brandanschlag auf das Flüchtlingsheim in der Gutenbergstraße, ein Brandanschlag in Saarwellingen auf eine Wohnung kurdischer Flüchtlinge, ein versuchter Anschlag mit einer professionell gefertigten Rohrbombe auf das Orranaheim.
Gleichfalls in Saarlouis versuchten Faschisten, mit einem Gasgemisch und einem Zünder das selbstverwaltete Zentrum KOMM in die Luft zu sprengen.

Zum 3.9.1994 hatte der in der seit 1995 verbotenen FAP (Freiheitliche deutsche Arbeiterpartei) organisierte Faschist Peter Strumpler eine Demonstration in Saarlouis gegen ein geplantes Punkertreffen angemeldet, Motto: "Gegen links-autonome Übergriffe". Mit einer Gegenmobilisierung antifaschistischer und linker Gruppen konnte der Faschistenaufmarsch damals noch verhindert werden.

Am 23. März 1996 hingegen konnten ca. 100 Faschisten - beschützt von der deutschen Polizei- einen Aufmarsch durch Saarlouis durchführen, bei dem oben erwähnter Peter Strumpler als Ordner fungierte. Zum Anlaß nahmen die Faschisten einen Vorfall in der Saarlouiser Disco "Yesterday", bei dem sich Jugendliche erfolgreich gegen rechte Angreifer verteidigten. Unter dem Motto: "Gegen Gewalt -mehr Akzeptanz jugendlicher Subkultur" versuchten sich die Faschisten zu Opfern zu machen. Drahtzieher und Initiatoren der Demonstration waren Aktivisten der FAP und der ANK (Aktionsfront natiotionaler Kameraden).
Ca. 70 Antifaschistinnen versuchten, den Aufmarsch zu verhindern. Der Einsatz von Polizeiknüppeln und - Fäusten sorgte dafür, daß der Faschistenaufmarsch bis zum Ende durchgeführt werden konnte. Trotzdem gelang es den Gegendemonstrantinnen, die Faschisten mit Flaschen und anderen Gegenständen zu bewerfen, und die Parolen der Faschisten zeitweise zu übertönen. Während bei der Abschlußkundgebung der Faschisten vor der Disco "Yesterday" die erste Strophe des Deutschlandlieds abgesungen wurde, wurde ein Antifaschist unter dem Jubel der Faschisten von der Polizei brutal festgenommen. Inzwischen gibt es ein Ermittlungsverfahren gegen ihn
wegen "versuchtershter Körperverletzung, Verstoß gegen das Versammlungsgesetz und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte".

Von den Jusos und vom Ausländerbeirat Saarlouis gab es öffentliche Stellungnahmen gegen die Faschistendemo am 23. März. Ein Saarbrücker erstattete gegen den Oberbürgermeister von Saarlouis, Nospers, Anzeige wegen " Volksverhetzung", das Verfahren wurde jedoch von der Staatsanwaltschaft eingestellt.
Bereits am 4. Mai 1996 versuchten die Faschisten einen erneuten Aufmarsch, gegen den an einem Tag an Saarlouiser Schulen 500 Unterschriften gesammelt werden konnten. Der Aufmarsch wurde von den zuständigen Stellen in Saarlouis auf den öffentlichen Druck hin verboten. Die Drahtzieherschaft der FAP konnte nicht mehr geleugnet werden. Das ist sicher als ein Erfolg der vorhergehenden antifaschistischen Mobilisierung zu werten.

Gegen den reaktionären Konsens

Daß sich die Faschisten (nicht nur die saarländischen) Saarlouis als Ort ihrer Aufmärsche und Übergriffe aussuchen, ist kein Zufall.

Die in Saarlouis ansässigen Bundeswehreinheiten inklusive Saarlandbrigade prägen mit ihrer nationalistischen-militaristischen Propaganda die öffentliche Stimmung. Daß vor diesem Hintergrund rechte Parteien wie "Die Republikaner" und "Deutsche-Volks-Union", deren Wähler- und Mitgliederschaft im Repressionsapparat überdurchschnittlich vertreten ist, gute Wahlerfolge in dieser Garnisonsstadt verbuchen können, verwundert nicht.

Die These, Faschisten und Rassisten als "Opfer" darzustellen, findet in Saarlouis auch Anklang bei der Evangelischen Kirchengemeinde und zuständigen Sozialarbeitern. Diese werben für Verständnis für die faschistische und rassistische Gesinnung Jugendlicher, die sie zugleich als "jugendliche Subkultur" bezeichnen und damit verharmlosen. Zugleich werden den Faschisten Räume als Treffpunkt zur Verfügung gestellt. Träger dieses Projektes ist das evangelische Jugendwerk an der Saar.

Mit diesem Ansatz wird allerdings das wahre Wesen faschistischer und rassistischer Gesinnung verdreht und verwässert. Den militanten Übergriffen und Pogromen gegen Flüchtlinge ging eine Debatte von ParteipolitikerInnen voraus, die in der Bevölkerung Stimmung zur Abschaffung des Grundrechts auf Asyl schaffte. Darin war die Rede von "Asylantenflut", vom "vollen Boot" und von angeblichen "Scheinasylanten". Das aktuell von bürgerlichen Parteien, Gewerkschaften und Unternehmern gleichermaßen formulierte Ziel "Standort Deutschland sichern" steht der NPD-Parole "Deutschland zuerst" in nichts nach.
Rassismus fängt nicht erst da an, wo Faschisten mit Knüppeln, Messern und Brandsätzen gegen nichtdeutsche Menschen vorgehen. Rassismus ist eine an den Haaren herbeigezogene "Rechtfertigung", warum Menschen mit z.B. anderer Hautfarbe und Herkunft nicht die gleichen Rechte haben sollen wie WesteuropäerInnen. Warum es erlaubt sein soll, sie in Sammellager zu pferchen, ihnen weniger Sozialhilfe und geringere Löhne zu zahlen. Und, seit 500 Jahren, ihnen ihre Bodenschätze zu rauben, sie zu Sklaven zu machen und sie -wie in Kurdistan, Südafrika usw. - ihrem Land zu berauben.


Rassismus kommt aus der Mitte der Gesellschaft

Spätestens seit den faschistischen Pogromen in Rostock, Mannheim-Schönau und in weiteren Städten ist klar, daß die Straßenfaschisten mit der Unterstützung breiter Kreise der deutschen Bevölkerung rechnen können. Diese geht von stillschweigendem Zuschauen bis zu Beifall und aktiver Beihilfe.
Nach den Morden an fünf TürkInnen in Solingen im Mai 1993 sollten Lichterketten gegen "Gewalt und Fremdenfeindlichkeit" den im Ausland angeschlagenen Ruf des "demokratischen" Deutschlands wiederherstellen. Neben dem Interesse, sich symbolisch die Hände reinzuwaschen war der eigentliche Grund, verunsicherte ausländische Wirtschaftsunternehmen zu besänftigen.
Die propagandistische und heuchlerische Aufforderung verantwortlicher ParteipolitikerInnen zur "Zivilcourage", die ab und an ausgesprochenen Verbote faschistischer Organisationen und Verhaftungen von Faschisten können nicht darüber hinwegtäuschen, daß sich Staat, Straßenfaschisten und große Teile der Gesellschaft im Kern einig sind: Den westlichen Wohlstand auf Grundlage 5OO-jähriger Kolonisation, der weiteren Ausplünderung der Länder im Süden der Erde und die Abschottung vor der damit produzierten Armut durchzusetzen und aufrechtzuerhalten.

Wir haben uns im "Aktionsbündnis Samuel Yeboah" zusammengeschlossen, um den Faschisten und dem reaktionären Konsens in Saarlouis entgegenzutreten.
Vom 7. bis 13. Oktober 1996 führen wir in Saarlouis "antifaschistische Aktionstage" durch, an denen wir mit Veranstaltungen, Infotischen und weiteren Aktivitäten möglichst viele Leute informieren, mit ihnen diskutieren und zusammen auf die Straße gehen wollen. Dadurch soll an diesen Tagen das Stadtbild von uns AntifaschistInnen bestimmt werden.


DEM REAKITONÄREN KONSENS IN DER GESELLSCHAFT ETWAS ENTGEGENSETZEN!


Die antifaschistischen Aktionstage werden vom Aktionsbündnis Samuel Yeboah veranstaltet. Zu diesem Zweck haben sich zusammengeschlossen: Autonome Antifa Saarbrücken, Aktion 3. Welt Saar, Antifaschistische Nachrichten Saar, Antifa Saarlouis, Antifa Trier, basis Saarbrücken, Solidaritätskomitee Mumia Abu-Jamal.
In der Nacht vom 18. Auf den 19. September 1991 wurde Samuel Yeboah, ein Flüchtling aus Ghana, bei einem Brandanschlag in Saarlouis ermordet. Er ist eines der zahlreichen Opfer des Terrors der Straßenfaschisten, des staatlichen Rassismus und des reaktionären Konsens in der Gesellschaft.
Wir haben unser Aktionsbündnis nach ihm benannt gegen das Vergessen des alltäglichen Terrors gegen Flüchtlinge, und weil der Mord an Samuel Yeboah Ausdruck dessen ist, wogegen sich unsere Aktivitäten richten. Kein Fußbreit den Faschisten - dem reaktionären Konsens in der Gesellschaft etwas entgegensetzen!

TERMINKALENDER

Montag, 7. Oktober 1996, Informatlons- und Diskussionsveranstaltung, Beginn: 18.00 Uhr
Spanien im Bürgerkrieg (1936-1939): Der Kampf gegen Franco und die soziale Revolution In Katalonien. Im Juli 1936 putscht die spanische Armee gegen die republikanische Regierung und löst damit den Bürgerkrieg aus. Ein Drittel des Landes bringt die Armee unter dem faschistischen General Franco unter ihre Kontrolle. Besonders in Katalonien schlagen die ArbeiterInnen, die sich zum großen Teil in der anarcho-syndikalistischen Gewerkschaft CNT organisiert haben, den Aufstand vorerst erfolgreich zurück. Sie verjagen die Kapitalisten und beginnen die Fabriken selbst zu verwalten. Die Zentralregierung in Madrid verliert auch für einige Monate die Herrschaft über Katalonien. Trotzdem beginnt der gemeinsame Kampf der Regierung und der ArbeiterInnen gegen die Armee, doch die antifaschistische Einheitsfront ist zu unterschiedlich und bringt weitere Machtkämpfe mit sich. AntifaschistInnen aus dem Saarland


Dienstag, 8. Oktober 1996, Veranstaltung "Deutsche Täter sind keine Opfer -Fahrlässige Entsorgung von Rechtsextremismus durch Sozialarbeit", Beginn 20.00 Uhr. Der Saarlouiser Skinheadaufmarsch im März 1996 wurde von Sozialarbeitern, Skins und einigen Medien als Versammlung jugendlicher Subkulturen verharmlost Dieses Bild folgt den Thesen des Bielefelder Erziehungswissenschaftlers Prof. Wilhelm Heitmeyer (Soziologe).
Wir widersprechen mit dieser Veranstaltung der Auffassung, Rassismus könne als Randgruppenproblem betrachtet und durch Sozialarbeit bekämpft werden. Brennende Flüchtlingsheime sind ebenso ein Ausdruck der herrschenden Menschenverachtung wie die von etablierten Parteien ausgelöste Asyldebatte, die Flüchtlinge als Gefahr für das arme, kleine Deutschland darstellt.
Referent: Alfred Schobert, Mitarbeiter des AK Rechtsextremismus des Duisburger Instituts für Sozial- und Sprachforschung (DISS). Aktion 3. Welt Saar


Mittwoch, 9. Oktober 1.996, FIlmvorführung mit anschlIeßender Diskussion, Beginn 1.8.00 Uhr
Land und Freiheit (Land and Freedom), ein Spielfilm von Ken Loach berichtet aus der Sicht einer antifaschistischen Miliz vom Kampf gegen Franco, und den revolutionären Veränderungen. Die Revolution wird von der Zentralregierung unter starkem Einfluß der stalinistischen KP unterdrückt. Die antifaschistischen Milizen werden gezwungen, sich der neugegründeten Volksarmee im Kampf gegen das aufständische Militär unterzuordnen. Schließlich wird der Kampf gegen den Faschismus genauso verloren wie der für eine Revolution. Der Film ist direkt angelehnt an das Buch "Mein Katalonien" von George Orwell. AntifaschistInnen aus dem Saarland


Sonntag, 13. Oktober 1996, Information und Filmvorführung, Beginn 19.00 Uhr. Gegen das Vergessen des jüdischen Widerstands gegen die nationalsozialistische Vernichtungsmaschinerie zeigen wir Ingrid Strobls Film "Mir zeynen do!" über den Ghettoaufstand und die PartisanInnen von Bialystok. Integriert in kurze Hintergrunddarstellungen durch Ingrid Strobl besteht der Film in der Hauptsache aus Interviews mit überlebenden KämpferInnen des jüdischen Widerstands. Neben Chaika Grossman, die Mitglied im Hauptquartier des Widerstands im Ghetto von Bialystok war, kommen weitere Frauen, die dort zum Kern des städtischen Untergrunds gehörten, zu Wort. Der Film vermittelt viel über Bedingungen, Entwicklung und Organisierung von Widerstand gegen einen scheinbar übermächtigen Feind und ist auf der subjektiven Seite vor allem auch ein Dokument von persönlicher Opferbereitschaft, von Würde und Mut. Beginn 19.00 Uhr. Gruppe basis, Saarbrücken

All diese Veranstaltungen finden statt im: KOMM, Lisdorfer Straße 19a, Saarlouis.

Freitag, 11. Oktober 1996, Solikonzert des Jugendzentrums Merzig für die Antifa-Tage mit den Gruppen: My lay, Feafick, Craven und special guests. Im Juz Merzig, Beginn 20.00 Uhr, Eintritt 10,00 DM.

Antifaschistische Demonstration,
Donnerstag, 10. Oktober 1996,
Beginn 17.30 Uhr, Am Großen Markt, Saarlouis.


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